Meine Frage, was wohl passieren würde, wenn man die Bewertung ganz weglassen und reines Feedback geben würde, löste bei beiden Interviewten eine sehr lange Pause aus. Von ihrem langen Nachdenken leitete ich ab, dass sie sich das nicht vorstellen konnten. Sie hatten allem Anschein nach noch gar nie eine Erfahrung gemacht, die nicht prüfend war, sondern als Geschenk galt (wie Karim Benammar das nennt). Der Studiengangsleiter antwortete mir mit einer Frage: «Kann man bis an den Punkt gehen, nicht an eine Schmerzgrenze, aber schon an einen näheren Punkt, wo die Temperatur steigt, wo die Reibung grösser wird? Also, gibt's die Möglichkeit da Widerstände zu generieren? Und zwar, nicht einen Generalwiderstand „es kackt mich alles an hier“, sondern sozusagen wunde Punkte ausfindig zu machen und an denen zu arbeiten?»
Karim Bennamar nannte diese Punkte „Triggerpoints“, Georg Weinand betitelt diesen Zustand als „professional intimacy“1 und Barbara van Lindt beschrieb diesen Moment bei meinem Besuch bei DasArts mit dem Bild einer „significant collision“2 – eine Kritik , welche einem eine ganz neue Sichtweise ermöglicht.
Ich vermute, dass die bisherigen Erfahrungen von Reibung bei Präsentationen für die Studierenden eher schwierig und verletzend ausgefallen waren. Wenn aber nun die Rückmeldungen zu einem reinen Feedback verändert würden , d. h. wenn man sich nicht mehr verteidigen müsste, könnte man eine Konfrontation vielleicht eher zulassen.
Zusammenfassend geht es also erstens um eine klare Haltung der Betrachtenden gegenüber den Präsentierenden, und zweitens um eine klare Deklarierung und Formulierung des Beitrages. Das Ziel ist dasselbe wie bis anhin. Nur die Perspektive, die Einbettung und der Fokus werden präzisiert, damit die gewünschte Berührung ermöglicht wird – und nicht eine grundsätzliche Ablehnung stattfindet.
Ist das vielleicht der Schlüssel dazu? Ein Umdrehen von einem antreibenden in einen Fragen stellenden Modus? (Siehe auch Tondokument linker Hand)