Bei Interviews mit Mitstudierenden haben sich zwei Grundkonstellationen als problematisch dargestellt. Zum einen betrifft es die Fokusdefinition des Kolloquiums. Es ist nicht immer klar, welche Erwartungen es voraussetzt und unter welchem Blickwinkel das Werk von den Dozierenden angeschaut wird. Eine Studierende meinte zu diesem Thema: «Oft geht es in den Präsentationen ja mehr um das Duellieren der Dozierenden untereinander, um ein „Sich-Produzieren“, sich auch nicht selten selbst gefallen, wenn sie da über die Sachen reden. Die Studierendengruppe als Mehrheit ist eigentlich eher still. Für mich ist oft nicht ganz klar, was unsere Rolle dabei ist.» Die zweite Komponente betrifft die Rollen- oder Aufgabendefinition der Beteiligten, der Dozierenden sowie der Studierenden. Der Studiengangsleiter meinte dazu: «Ich beobachtete, dass die Dozierenden in der offenen Gruppe versuchten, eine Rolle zu spielen. Es kam selten vor, dass Dozierende Fragen stellten. Wenn, dann war es eher etwas, das sie schon im Kasten hatten und jetzt abfragten – und nicht eine neue, offene Frage .»
Hier finde ich sehr interessant, dass ein Bedürfnis nach offenen Fragen (Vergleich Format „Open Questions“ DasArts-Methode und Step 3 „Neutral Questions“ Critical Response Process) vorhanden zu sein scheint, das aber in der jetzigen Struktur nicht zur Geltung kommt. Vielleicht, weil die Dozierenden dies nicht als ihre Aufgabe wahrnehmen, sondern eben genau das Gefühl haben, sie müssten prüfen?
Des Weiteren wurde das Nachgespräch der Dozierenden nach den Präsentationen, wenn sie die Noten aushandeln, als ein sehr wichtiges Moment wahrgenommen. Eine Studierende gab an, sie glaube «dass nach den Präsentationen ganz wichtige Gespräche stattfinden, wo vieles zum Ausdruck kommt, was man nicht mitbekommen kann, und das dann irgend wann als Rückmeldung kommt. Ich habe das Gefühl, dass das, was dort diskutiert wird, wohl eine Spur ehrlicher ist.»
Hier wird ein Bedürfnis der Präsentierenden nach „Ehrlichkeit“ in den Reaktionen der Betrachter/innen anschaulich. (Vergleich Format „Gossip Round“ DasArts-Methode.) Die Nachbesprechungen könnten als Nachreaktion, als eine Art „blinder Fleck“, angeschaut werden. Durch das Nicht-transparent-machen erwecken sie besonderes Interesse bei den Präsentierenden und eine hierarchisch bedingte Wichtigkeit wird ihnen zugeschrieben.
Ausserdem wurde der Prozessstand der Arbeit als möglicher Faktor für Missverständnisse angegeben. Der Studiengangsleiter meinte zu dieser Thematik: «Es gab ein Missverständnis, als eine Studierende eine Arbeit präsentierte, die für sie ein fertiges Werk dar stellte. Wegen den Erwartungen an das Modul, in dessen Rahmen das Werk gezeigt wurde, war es für die Dozierenden aber ein Werk im Prozess. Dies hat dann zu einer schlechten Bewertung geführt. Die Studierende war natürlich enttäuscht, aber weniger über die schlechte Bewertung, als über das Feedback, das ihr gar nichts brachte. Das war dann aneinander vorbei geredet.»
Dies deckt ein Bedürfnis nach einer klaren Einführung der Arbeit auf (Vergleich Format „Presenters Question“ DasArts-Methode). Da sich im Studiengang MAE b&v bei einem Präsentationstag-Ablauf meistens „Projekt II“ und „Projekt III“ durchmischen, müsste sogar angegeben werden, um welches der beiden Module es sich bei der Präsentation handelt. – Oder noch besser, die Präsentationen müssten im Ablauf ganz klar nach Modul getrennt sein, damit die Betrachtenden keinen Perspektivenwechsel vornehmen müssten.
Meine eigenen Beobachtungen waren geprägt durch allerhand Vermischungen: Dozierende switchten hin und her zwischen ihrer Rolle als Dozierende, also Prüfende, und Mentorierende, also Unterstützende. Hinzu kamen Meinungsäusserungen von Dozierenden und Studierenden, welche die Diskussionen oft in einem Verteidigungsmodus enden liessen . Dabei wurden auch immer wieder interessierte Fragen oder einfache Rückmeldungen untergemischt. Fazit für mich war, dass die Präsentierenden immer zuerst abwägen mussten, wie ein Beitrag gemeint sein könnte: Ist es eine Interessensfrage, eine Kontrollfrage, ein für sich selbst stehendes Feedback, eine Abfrage, oder einfach eine Bemerkung oder ein Kommentar? Dieses „Herumschwimmen“ brachte die Person, die ohnehin schon von der ganzen Gruppe fokussierte wurde, in eine absolute Stresssituation.
Deshalb ist in meinen Augen der Aspekt, in der dritten Person über den/die Präsentierende/n zu sprechen (siehe "Allgemeines Zusatz-Element „+1“" DasArts-Methode), ein sehr schöner Lösungsansatz. Er ermöglicht eine spezielle Art von Auseinandersetzung, die Berührung zulässt.