Beim Transkribieren des Tondokuments vom Tryout habe ich eine Aussage von mir entdeckt, mit der ich die angestrebten Inhalte der beiden Methoden einführen wollte: «Ich mache mein Kunstprojekt, und wie reagiert die Welt auf mich zurück? Das suche ich eigentlich.» Das Interessante an diesem Satz finde ich, dass er eigentlich unkorrekt ist, aber in meinen Augen genau dadurch irgendwie korrekt erscheint. Er verdeutlicht exakt dieses Suchen nach den richtigen Worten für einen Gedanken, worum es bei den beiden Methoden geht: Es wird versucht eine Klarheit bei Gedankenfolgen zu erhalten und eine Präzision bei der Formulierung der Statements zu erreichen. Und nicht selten entstehen bei dieser Suche nach den richtigen, passenden Worten, unkonventionelle Satzbilder, weil die Autor/innen sich während des Aussprechens eben genau noch auf der Suche nach den treffenden Worten befinden.
Der Studiengangsleiter MAE beschrieb im Gespräch mit mir diese klärende Absicht folgendermassen: «Bei diesen Methoden gibt es ja nicht einen Zwang, es gibt einen Zwang zur Klarheit in den Aussagen, und einen Wunsch dem Werk, oder der Intension des Täters gerecht zu werden und ihn zu fördern, zu pushen.» Die Präsentierende der DAM beim Tryout meldete mir zurück, dass es ihrer Meinung nach darum gehe, «zu lernen über Wahrnehmung und Kunst zu reden und differenziert zu kommunizieren.»
Mit dem Kreieren der beiden Systeme wurden meines Erachtens Werkzeuge kreiert, die bei einem Prozess von Senden und Empfangen von Feedback oder eines Responses behilflich sein können. Vor allem aber wird mit ihrer Anwendung die Wahrnehmung der Feedbackgebenden geschult und der Vorgang eines sorgsamen Erkennens aktiviert. Die Feedbackgebenden werden dazu angehalten, bestmögliche Präzisierung in ihren Statements zu erreichen und diese in eine Formulierung einzubetten, die von den Feedbacknehmenden möglichst gut verstanden wird.
Grundlage für diese Präzisierungsarbeit bildet meiner Meinung nach die Einteilung des Prozesses in die einzelnen Formate oder Steps. Damit kann eine vorausgehende Kanalisierung bewirkt werden, welche die Feedbackgebenden bei der Sortierungsarbeit ihrer Eindrücke und Gedanken unterstützt.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass durch diese strengen Systeme versucht wird, bestmögliche Ehrlichkeit in einem Dialog zu erlangen.

            Genau dieser Punkt der Ehrlichkeit stellt für mich eine interessante Knacknuss dar. Eine Teilnehmerin stellte folgende Frage an mich: «Ist es überhaupt möglich ohne persönliche Meinung über die Lösung von einem Problem zu diskutieren?» Ich konnte die Frage damals, mitten im Prozess, nicht beantworten. Es dreht sich um den springenden Punkt, der auch mit dem Untertitel dieser Masterthesis korreliert: Wie man es schafft, über sich hinaus zu denken. Der Studiengangsleiter MAE beschreibt diesen Zustand so: man versuche «das Eigene und das Fremde nicht zu vermischen, oder mindestens auseinander zu halten so gut es geht», was ich auch unterstütze. – Nun bin ich aber durch die Auseinandersetzung mit diesem Forschungsprojekt zum Schluss gekommen, dass es nicht möglich ist, immer einen meinungsbefreiten Blick zu haben . Es geht viel mehr darum, dass ich mir als Feedbackgebende der Subjektivität meiner persönlichen Meinungen bewusst bin und diese in ein objektives Statement umwandeln kann, das das Ziel verfolgt, den/die Feedbackempfangende/n im Arbeitsprozess weiter zu bringen (siehe auch „Was ist ein "Feedback" oder ein "Response" konkret?“). – Wie auch Liz Lerman dies beschreibt: «It´s important that the observers sincerely want this artist to make excellent work.»1

 

1 Lerman/Borstel: Liz Lermans Critical Response Process. S. 14.