Benammar sagt: «The times when we are most free to think is when we are bound by very strict rules.»1 Er und das DasArts-Team sowie auch Liz Lerman und ihr Team haben bei der Entwicklung der Methoden eine ganz klare Strukturierung vorgenommen, um den Ablauf eines Feedbacks/Response klar zu definieren. Die diversen angestrebten Aspekte, die in einem Feedback oder Response erreicht werden sollen, wurden in einzelne Formate oder Schritte gepackt und die Funktionen und Aufgaben wurden konkreten Rollen zugeteilt, um einen Spielverlauf mit klaren Regeln zu ermöglichen. Cynthia J. Williams fasste es in ihrem Artikel so zusammen: «Liz Lerman’s Critical Response Process creates a valuable dialogue between artist and audience and offers guidlines intended to keep that dialogue constructive and informative.»2
Für mich kommt hier ganz klar meine Hypothese zu tragen, die ich in den ersten Interviews als Frage an Studierende und den Studiengangsleiter gestellt habe: «Was meinst du zu meiner Behauptung, dass das Vermischen von Feedback, Bewertung und Meinungen, oder anders ausgedrückt – die Unklarheit, ob eine Frage eine Kontroll- oder eine Interessensfrage ist, ein grundlegendes Hauptproblem darstellt?» (Siehe auch "4.1.5. Woran es liegen könnte – eine kurze Auslegung".) Beobachtungen bei vorangegangenen Präsentationen im Rahmen des Masters Art Education haben bei mir den Eindruck hinterlassen, dass wegen dem absolut offen gehaltenen Format für alle Beteiligten (Dozierende, Studierende sowie v.a. Präsentierende) Schwierigkeiten bestehen, sich zu orientieren worum es hier und jetzt genau geht. Die vorgenommenen Strukturen bei den beiden Methoden helfen die gewünschten Fokusse durch die einzelnen Formate zu kanalisieren. Dadurch wissen die Feedbackgebenden wie auch die -empfangenden jederzeit was aktuell die Regeln und Ziele sind.
Eine Regel der DAM z. B., die kein Format, sondern eine Verhaltensregel darstellt, ist für mich von besonderem Interesse: Bei der Feedback-Woche in Bern konnte ich beobachten, dass die Moderation auf möglichst präzise und kurz gehaltene Statements achtet, wodurch ein Kommentieren oder aufeinander Bezug nehmen verhindert werden kann.
Bei unserem Tryout machte ich eine interessante Beobachtung. Es schien mir für die Teilnehmerinnen ungewohnt, sich nicht auf den vorherigen Beitrag zu beziehen. Ich ordne es als Gewohnheit ein, oder sogar fast als ein angelerntes anständiges Verhalten, sich in die Diskussion an geeigneter Stelle einzufügen, an den vorherigen Beitrag anzusetzen oder eine ähnliche Einführung vorzunehmen. Ich konnte fast eine kleine Überwindung bei den Teilnehmerinnen feststellen, in einen anderen Sprech-Modus zu wechseln. Es schien für sie schwierig, in klaren und treffenden Worten, ohne Bezug zu dem was vorher gesagt wurde, ein kurzes und somit präzises Statement abzugeben.
Diese Strukturwerkzeuge stellen für mich ein sehr bedeutsames Arbeitsmittel dar, welches mir bei einem tiefsitzenden Bedürfnis zu Hilfe kommt. Seit Jahren begleitet mich an Gruppendiskussionen immer wieder diese Frage: Warum missbrauchen einige Menschen die Aufmerksamkeit einer Gruppe um ihren Gedankenkern zu entwickeln? Hier kommt mir Georg Weinand3 in den Sinn, der diese wichtige Regel so genannt hat: «Thinking before talking.» Genauso hat Manolis Tsipos4 in einer solchen Situationen mit «can you organize your thoughts?» auf den jeweiligen Feedbackgebenden reagiert und ihn aufgefordert, es später wieder zu versuchen, wenn er darüber nachgedacht hätte.
Für mich stellt der Fund dieses Werkzeugs, um Konzentration und Diszipliniertheit in einer Gesprächsrunde zu erreichen, eine regelrechte Erleichterung dar.