Die DasArts-Methode beinhaltet ein Format mit der Bezeichnung „Open Questions“ und die Methode von Liz Lerman enthält einen Step, mit dem Titel „Neutral Questions“. Nach Manolis Tsipos1 Definition sind offene Fragen meistens W-Fragen (Warum, Wie, Wo etc.) und sollen Raum öffnen für Reflexionen. Liz Lerman definiert den Inhalt des Steps „Neutral Questions“ so, dass eine persönliche Meinung in eine neutrale Frage umgewandelt wird. Wenn zum Beispiel jemand ein Video zu lang findet, lautet die abgeleitete neutrale Frage davon: «How are you thinking about time in relation to the viewers experience?»2

Bei meiner Exploration stellte ich mir zusammen mit den Teilnehmerinnen des Tryouts die Frage, ob bei diesen beiden Formaten dasselbe gemeint ist, oder ob es da einen feinen Unterschied gibt. Bei beiden Umsetzungen von „Open Questions“ sowie von „Neutral Questions“, bin in ich mir nicht sicher, ob ich als Vermittlerin den Inhalt und die Absicht des Formats richtig einführen und erklären konnte. Denn während der Umsetzung zeigten sich grosse Schwierigkeiten, überhaupt Fragen zu finden, weil wir so intensiv darüber nachgedacht haben, wie denn so eine offene Frage genau zu sein hätte. Bei der Rückfrage meinerseits an die beiden Präsentierenden gab die eine an: «An die Open Questions kann ich mich am wenigsten erinnern. Ich glaube die haben mir nicht soviel gebracht.» Auch die Zweite meinte zu diesem Step: «Das Formulieren der neutralen Fragen fand ich ausserordentlich schwierig. Ich hatte das Gefühl, wir waren etwas verzweifelt auf der Suche, wie sich diese Fragen stellen lassen. Wodurch ich diesen Step nicht so hilfreich empfand.»

            Daraus schliesse ich, dass mein Versuch, das Format oder den Step einzuführen, nicht wirklich  funktioniert hat. Was bedeutet, dass ich mich diesem Thema zu einem späteren Zeitpunkt speziell widmen möchte; den Inhalt genau zu verstehen – aber vor allem ihn auch vermitteln und in Anwendung bringen zu können.
Zusammenfassend würde ich die beiden Formate von offenen und neutralen Fragen folgendermassen erläutern: Sie haben die Absicht dem/r Präsentierenden Hilfestellung zu leisten, indem man nach Triggerpunkten sucht, die für die jeweilige Person (und nicht für einen selbst) von Wichtigkeit sein könnten um darüber nachzudenken – und sie weiter zu bringen in ihrem Prozess.

            Bei unserem Tryout ist mir etwas Spezielles aufgefallen: Während wir versuchten, bei „Open Questions“ Fragen zu formulieren, beobachtete ich bei mir selbst, in der Rolle der Feedbackgebenden, einen höchst interessanten Vorgang: Immer wieder habe ich mich hinterfragt: «Bin ich wohl richtig in der Annahme, dass es so und so ist und sie das und das will?» Es war eine Art  Zustand von „Offenheit-bei-behalten“ der Situation gegenüber und dem, was ich das Gefühl hatte zu wissen, was sie will. Also ein stetiges Neudenken über den „Ist-Zustand“, nie wirklich sicher zu gehen, und in diesem Modus zu Fragen zu gelangen, die ein Weiterdenken der Feedbackempfängerin anregen könnten. Vielleicht hat dieses Format oder dieser Step ein zentrales Element in sich, von dem auch der Studiengangsleiter gesprochen hat. Im Gespräch mit mir über die Methoden im Allgemeinen sagte er, dass er glaube «vom Gesamten her ist es enorm nötig, zu so einer Offenheit zu gelangen. Eine Offenheit, die nicht den Anspruch hat, alles ans Licht zu zerren, in eine gleiche Tabelle hinein zu bringen. Sondern ein „An- oder Hinreden“, ein Spiel mit Perspektiven.

 

1 Moderator bei der Feedbackwoche an der Hochschule der Künste Bern (siehe Videos unter „1.1. Feedback-Methode von DasArts Master Theatre Amsterdam“).
2 Lerman/Borstel: Liz Lerman‘s critical response process. S. 23.