Um sich ganz klar von einer bewertenden Juryrunde abzugrenzen, wurde bei DasArts die Funktion des/r Präsentierenden in eine/n Zuhörende/n umgewandelt. Es wird konsequent in der dritten Person über die gefeedbackte Person gesprochen. Wie ich das verstanden habe, geht es dabei darum, die Präsentierenden vor einem Verteidigen von sich selbst und der eigenen Arbeit zu schützen. Durch diese Regel kann eine ganz neue Haltung zum Beispiel gegenüber Tratschgesprächen entstehen. In den Formaten „One-on-One“ und „Gossip Round“ wird dieser Aspekt auf die Spitze getrieben, indem hier der Blickwinkel von einem unangenehmen Gespräch über die eigene Arbeit weg und hin zu einem wertvollen Diskursformat gelegt wurde. Georg Weinand erklärt im Film1 , dass das „One-on-One“ ersten emotionalen Ventilationen Platz bietet, die wesentlich sind, um überhaupt objektiv über das Gesehene nachdenken zu können. Hier sind die Präsentierenden vom Gespräch ausgeschlossen und können nicht mithören, sind sich jedoch der Notwendigkeit und der positiven Absicht bewusst. Die „Gossip Round“ ist sozusagen eine Erweiterung dieses ersten Formats, wobei aber die Präsentierenden als Zuhörer/innen anwesend sind und die Tratschrunde über die eigene Arbeit als Feedback nutzen können. Nach Aussage von Karim Benammar eröffnet diese Regel ein „Nachdenken“ von einem selbst in der dritten Person, also jemand anderen.
Diese spezielle Regel, in einer indirekten Weise mit der präsentierenden Person zu sprechen (in der 3. Person), fasziniert mich sehr (siehe auch "5.3. Variable Ablaufskizze als Schlussfolgerung für ein Tryout II"). Es nimmt eine Art Status einer „Zauberregel“ ein, mit der auf einen Schlag ganz viele Probleme und Missverständnisse umgangen werden können. Man ist nicht mehr dem Augenkontakt mit den Feedbackgebenden ausgesetzt und somit in der Lage, die Arbeit sich selbst zu überlassen, d.h. sich nicht verteidigen zu müssen. Das Zuhören eines indirekten Ansprechens schenkt die Freiheit, über Kritik nachzudenken, oder im besten Fall sie sogar verstehen und annehmen zu können.
Liz Lerman unterstützt diesen Gedanken, indem sie in ihrem Handbuch2 schreibt, dass durch Verteidigungsmechanismen der Lerneffekt gestoppt wird. Bei ihrer Methode kommt aber dieses Element des „indirekten Redens“ gar nicht vor, was in meinen Augen den wesentlichsten Unterschied der beiden Modelle darstellt. Beim Critical Response Process wird, wie ich es ebenfalls aus dem Handbuch3 vernommen habe, immer in direktem Dialog des/der Künstler/in mit den Respondern gesprochen.
Bei unserem Tryout hat sich ganz klar gezeigt, dass die Fokusse bei den beiden Methoden unterschiedlich gelegt sind. Dadurch, dass bei der DasArts-Methode die Person fast nur indirekt „an-gesprochen“ wird, stehen die Feedbackgebenden im Zentrum und sind in der aktiveren Position. Der/die Feedbacknehmende bleibt in einer passiven Haltung. Der Studiengangsleiter des MAE, Heinrich Lüber, beschrieb im Gespräch mit mir diesen Aspekt folgendermassen: «Dadurch, dass man die Person nicht anspricht sondern das Werk im Vordergrund behält, mündet das Ganze nicht in einer Verteidigung, sondern in einem disziplinierten Hinschauen und Differenzieren, was es denn genau ist.»
Bei Liz Lermans Critical Response Process steht die präsentierende Person im Zentrum. Sie ist es, die direkte Antworten einholt auf ihre Fragen, und auf Fragen von den Respondern antwortet. Dieser Prozess stellte für die präsentierende Künstlerin nach ihrer Aussage ein Akt von Erkenntnisgenerierung dar. Und genau dieser Vorgang verdeutlicht in meinen Augen den erweiterten Mentoratsprozess, den ich auf der Übersichtsseite im gelb karierten Kästchen beschreibe (siehe Übersichtsseite).
Aus diesen Gedanken ziehe ich den Schluss, dass sich keine der beiden Varianten (indirektes und direktes Sprechen) generell besser für ein Feedback eignet. Meines Erachtens haben beide ihre Vorteile, und können je nach dem, was von den Beteiligten gewünscht und von der Institution erwartet wird, entsprechend eingesetzt werden.