Struktur einer Feedback-Session
Die Feedback-Formate sind in ihren Inhalten und der eingebetteten Struktur nicht absolut. Für jede Feedback-Session werden sie neu angepasst, je nach Erfahrungswert der vergangenen Sessions oder Bedürfnisse der aktuell Präsentierenden. Es können allenfalls auch einzelne Formate weggelassen werden.
Introduction Presenter (5’)
Die Studierenden sind aufgefordert, ihre Arbeit kurz einzuführen. Jedoch sollte nur gerade so viel gesagt werden, dass die Zuschauer/innen sich im Arbeitsprozess situieren können. Nicht mehr und nicht weniger.
Student Question(s) (1’)
Direkt anschliessend stellen sie dem Publikum ihre Fragen, zu denen sie ein Feedback erhalten möchten. Mit dem Einfordern des Feedbacks ist bereits die Basis für ein Gelingen gelegt.
Bei beiden Einführungs-Formaten habe ich festgestellt, dass die Künstler/innen Mühe hatten, sich angemessen zu formulieren. Oft waren die Fragen unstrukturiert und wild, oder auch zu knapp, was den Fokus auf die Performance wenig unterstützte. Als Gründe dafür könnte ich mir eine fehlende nötige Distanz zur eigenen Arbeit vorstellen.
Performance (20‘ max.)
Um die Performance anzuschauen, wird der Besprechungsraum verlassen und in einen Bühnenraum o. ä. gewechselt. Danach kehrt man für die folgenden Formate wieder in den ersten Raum zurück.
One-on-One (10’)
Direkt nach der Performance wird in Zweiergruppen zehn Minuten über das Gesehene frei ausgetauscht. Die Gespräche dienen einer ersten emotionalen Äusserung, Sortierung der Eindrücke und Gedanken, um anschliessend zu einem strukturierten Formulieren übergehen zu können.
Affirmative Feedback (5’)
Bei diesem Format ist man aufgefordert mit dem Satzanfang «what worked for me, was...» zu beginnen und einen in den eigenen Augen gelungenen Moment oder Aspekt hervor zu heben. Die Formulierungen sollen knapp und präzise sein. Mit dieser Methode wird ein erstes bestätigendes Fokussieren der Arbeit vorgenommen, was die Basis bildet für nachfolgende konstruktive Kritik.
Perspective Feedback (10’)
Bei diesem Format wird ein Bedürfnis aus einer spezifischen Perspektive eingebracht. Der Satzanfang lautet hier: «From the perspective of a ... I need ...». Zum Beispiel: «Als Publikumsmitglied würde ich mehr Information zum Setting brauchen». Eine derartige Einbettung ermöglicht ein Kanalisieren von relationsbezogener „Optimierung“.
Affirmatives und perspektivisches Feedback erkenne ich als ein Gesamtpaket, welches die Basis bildet für jegliche weitere Arbeit, d.h. für alle darauf folgenden Formate. Es bietet einen Grundstein, wobei die Arbeit einerseits bestätigende Elemente, sowie erste Hinweise für Veränderungen empfängt. Durch diese Ausgangslage wird erst eine Bereitschaft für ein gelingendes Feedback geschaffen. Es ermöglicht es, bei den weiteren Formaten wie z.B. „Gossip Round“ oder „Tipps & Tricks“, vertiefter auf Inhalte einzugehen.
Es geht hier um ein Erkennen dessen, was die Person will – und nicht, wie ich es als Betrachter/in gerne haben möchte.
Gossip Round (10’)
„Gossip Round“ ist eine offene Gruppendiskussion, wobei frei über die gesehene Arbeit diskutiert wird. Die/der Performer/in ist bei diesem Gespräch als Zuhörer/in mit dabei, wird jedoch explizit als abwesende Person behandelt, indem in der dritten Person über sie gesprochen wird. Durch ein „externes Zuhören“ erhält die/der Feedbacknehmende Zugang zu ungefilterten Rückmeldungen, die jedoch in affirmative wie auch in kritisierende Richtungen ausufern können.
Die Gossip-Runde ist ein sehr offenes Format. Ich war überrascht, wie sich die Gespräche selbständig strukturierten. Ich bin der Überzeugung, dass eine offene Runde nur funktionieren kann, wenn die Teilnehmer/innen geübt sind und einen gemeinsamen Konsens verfolgen.
Ich denke, hier ist bei einer noch nicht sehr geübten Gruppe die Funktion des/der Moderator/in sehr wichtig, indem er/sie das Gespräch immer wieder auf die Fragen des/der Präsentierenden fokussiert, da sonst die Gefahr des Abschweifens besteht.
Diese Gefahr könnte sich aufheben, wenn alle Beteiligten Erfahrungen einer eigenen Gossip-Runde machen konnten.
Open Questions (15’)
Hier werden offene Fragen formuliert, wie z.B. «Warum ist die Performance durch fünf Pausen unterteilt?» Diese Art Fragen sind meistens „W-Fragen“ (was, wie, warum, usw.) und haben oft einen Zweifel darin versteckt. Sie ermöglichen der/dem Performer/in einen Zugang zu einer Aussensicht und tragen zur inhaltlichen Klärung bei.
Dieses Format strebt divergierende Feedbacks an und ist daher eher für eine Arbeit mitten im Prozess als in einem Endstadium geeignet.
«Es entsteht immer etwas Neues, was vorher beide nicht wussten.»
Georg Weinand
Dialogues (10’)
Dieses Format ist aus einem Bedürfnis heraus entstanden, dem Feedbacknehmenden eine Möglichkeit für Reaktionen oder Rückfragen zu schaffen.
Mir ist aufgefallen, dass es eine Herausforderung bedeutet, unmittelbar nach einem kompakten, intensiven „Erhalten“ von Feedbackfragmenten gezielt zu reagieren. Bei Einzelnen wurden dabei Rechtfertigungsmechanismen aktiviert, welche man ja eigentlich durch die gesetzte Struktur zu umgehen versucht.
Concept Reflection (10‘)
Anhand eines stillen assoziativen Brainstormings werden von den Feedbackgebenden Wörter, Gedanken oder Fragen auf Post-its notiert und auf dem Flipchart zusammen geführt. Der/die Performer/in nimmt dann eine Sortierung der Notizen nach Relevanz und Thema vor. Falls er/sie Interesse hat, kann er/sie zu einzelnen Zetteln Rückfragen stellen. Oder die Moderation fordert den/die Künstler/in heraus (wie im Video „Concept Reflection“ nebenan zu sehen ist), einen notierten Gedanken aus den Zetteln auszuwählen und über diesen in einem ununterbrochenen und unzensurierten Redefluss zu sprechen.
Diese Methode ist hilfreich, um sich seinem eigentlichen Konzept anzunähern.
Tipps & Tricks (5’)
Hier werden z.B. Anregungen zu anderen Künstlern/innen gemacht, auf ein sich möglicherweise besser eignendes Material hingewiesen, oder auch ganz konkrete Ratschläge von weiteren Arbeitsschritten gegeben.
Ich finde das eine sehr passende Form, ganz zum Schluss noch konkrete „Kurz-Ziel-Ideen“ angeben zu können, die über den momentanen Standpunkt hinaus zielen und den weiteren Arbeitsprozess aktivieren.
Nach Angaben eines Beteiligten, werde hiermit auf ein Bedürfnis nach Beratschlagen eingegangen, was bei den Feedbackgebenden wiederum Befriedigung auslöst.
Jedoch beobachtete ich eine Gefahr, dass die Formulierungen durch Längen unpräzise werden können oder an Regieanweisungen grenzen.
Letters (5‘)
Abschliessend ist man aufgefordert, einen Brief an den/die Präsentierende zu schreiben. In der Form eines Briefes können Aspekte formuliert werden, die in einer exponierten Gruppenrunde keinen Platz finden. Die Briefe werden dann unbeachtet in einem an der Wand aufgehängten (mit dem Namen beschrifteten) A4-Couverts abgelegt.
Dass die Briefe in ein aufgehängtes Couvert gesteckt werden, finde ich eine sehr gute Lösung. Damit wird ein unnötiger Augenkontakt umgangen.
Ich fragte eine Studierende, was denn in den Briefen geschrieben wurde. Sie erzählte mir von Ermutigungen, persönlichen Bezugnahmen, poetischen Assoziationen – von sehr schönen Gedanken, die teilweise sehr berührend gewesen seien.
Allgemeines Zusatz-Element „+1“
Wenn eine oder mehrere Personen einen Beitrag ebenfalls als wichtig oder zutreffend einstufen, können sie «plus one» rufen, worauf der/die Sekretär/in hinter dem notierten Statement die Anzahl der Meldungen mit Strichen hinzufügt. Dadurch erhalten einzelne Punkte eine grössere Wichtigkeit.
Ein mit Liebe zubereitetes gemeinsames Mittagessen unterstützt das Gelingen des Gruppenprozesses grundlegend.