Wie bereits im Fenster nebenan „Warum dieses Interesse?“ angetönt, absolvierte ich vor diesem Masterstudium eine Ausbildung in Bewegungstheater/Performance. Darauf folgend hängte ich ein Studium der bildenden Kunst an, da ich mich für performative Medien im Zwischenbereich von darstellender und bildender Kunst interessiere. Mein künstlerisches Medium ist „Performance", jedoch nicht im klassischen Sinne wie man den Begriff aus den 60er-Jahren kennt, wo eine Person eine zeitbasierte Handlung vollzieht und ein Publikum dabei zuschaut. Ich konzipiere als „künstlerische Leiterin“ (anderes Wort für Regisseurin1 ) Improvisationssysteme mit Personengruppen von unterschiedlicher Professionalität. In Zusammenarbeit mit diesen erarbeite ich individuelle Aufträge und lasse diese in einer Art „Happening“2 im Rahmen eines Festivals oder eines Galerie-Anlasses zusammenspielen. Mich interessiert dabei das neu entstehende Produkt, das „Passieren-lassen“, das Unerwartete und das gleichzeitig Selbstverständliche. Zu diesem beschriebenen Vorgehen eine Beispielarbeit als Eindruck: ohne titel (wurde verloren gegangen)

Durch Selbstentscheidung zu Selbstverständlichkeit
Bei der Erarbeitung von individuellen Instruktionen spielt für mich die Selbstbestimmung der Performer/innen eine zentrale Rolle. Mir ist es wichtig, dass sie ihre Funktion bei der Performance und die Art der Handlung selbst wählen, eine Rolle, zu der sie Lust haben. Durch dieses selbständige Kreieren wird eine Eigenverantwortung erreicht, die sich beim Ereignis der Performance auf die Zuschauenden überträgt. Kein/e Performer/in hat Zweifel, ob er/sie die Rolle wohl „richtig“ umsetze, alle steuern ihre Partizipation bei der Performance selber und erlangen dadurch eine Genugtuung. Dieses Wohlbefinden der Performenden während der Improvisationsarbeit erzeugt bei den Zuschauenden ein Gefühl von Stimmigkeit.
Bei meiner künstlerischen Arbeit interessiert mich die instruierende Tätigkeit, bei der ich den Teilnehmenden Eigenverantwortung mit der selbst gesteuerten Aktivität auftrage und sie auffordere, einem experimentellen Gruppenprozess Vertrauen zu schenken. – Und auch die Zuschauenden sind meist eingeladen, sich in das System eines sozialen Gefüges mit ein zu bringen.
Eine Übersicht meiner künstlerischen Arbeit ist zu finden auf www.suzanarichle.ch

Ein ähnliches Bedürfnis treibt mich an, ein Forschungsprojekt zum Thema „kollektives Feedback als erweiterter Mentoratsprozess“ zu verfolgen. Mir ist es ein Anliegen, mich zur Verfügung zu stellen, um Selbststeuerung bei kreativen Prozessen und Eigenverantwortung gegenüber dem Einholen und Geben von Feedback zu gewinnen. Dabei beschäftigen mich die Fragen:
Wie findet jemand zu seiner Sprache?
Und wie kann ich mich bei diesem Prozess beteiligen?

Für mich persönlich stellt meine Arbeit als Mentorin oder Moderatorin ein künstlerischer Prozess dar, und meine künstlerische Tätigkeit ist genauso ein vermittelnder Prozess. Die Grenzen zwischen meinem künstlerischen und vermittelnden Handeln sind für mich fliessend. Auch wenn sie durch den jeweiligen Kontext (z. B. Performance in einer Galerie oder Feedback Session an einer Kunsthochschule) in ihrer Funktion als künstlerisch oder vermittelnd deklariert werden, beinhalten sie für mich stets beide Komponenten.

 

1 Ich verwende hier absichtlich nicht den Begriff „Regisseurin“, da eine Regisseurin im klassischen Sinn fix-fertige Ideen direktiv anleitet.
2 Ich benütze diesen Begriff Happening in einer erweiterten Form, als Bezeichnung für ein Stattfinden vor Ort mit einem Interesse an Neu-Entstehendem..